Datum/Zeit
6. November 2025
19:00 - 21:00
Adresse
Otto Mauer Zentrum
Währinger Str. 2-4
Wien 1090
Österreich
Treffen der Wiener PRO SCIENTIA-Gruppe
Lorenz Handstanger
Das ethische Problem des Für-Andere-Sprechens im gerichtlichen Verfahren
„Es ist eine Grunderfahrung von Menschen, die in ein Rechtsverfahren verwickelt werden – namentlich als Angeklagte –, dass sie sich in dem, was von ihrem Anwalt vorgetragen wird, nicht wiederfinden. Lieber möchten Sie sich in einen Wirbel hineinreden, als sich mit dem mehr oder weniger geschickten Vorbringen zufrieden zu geben, das der Anwalt beisteuert.“ so schilderte ein Richter eine Erfahrung, welche spätestens seit den 1970ern in der Philosophie als grundlegendes Problem des Sprechens formuliert wurde. Wenn Menschen an Stelle anderer vorbringen, erzeugen sie ein Zerrbild dieser anderen Menschen, Authentizität geht verloren, unter Umständen wird ihnen etwas aufgezwungen, was sie selbst nie von sich gesagt hätten. Deleuze spricht hierzu von der „Erniedrigung“ des Für-andere-Sprechens.
Aber irgendwie scheinen wir in unseren modernen Rechtssystemen nicht darum herumzukommen, dass Menschen einander repräsentieren. Der Vortrag stellt Work-in-Progress Arbeit vor. Dabei geht es an die Frage, wie wir die Welt der Rechtswissenschaften und Rechtspraxis nutzbar machen können, um das Problem der Repräsentation bzw des Für-andere-Sprechens philosophisch greifbar zu fassen. Bestenfalls finden wir sogar Bedingungen dafür, wann Für-Andere-Sprechen gut sein kann.
Als Vorbereitung auf den Vortrag wird empfohlen, einen kurzen Text zu lesen, der auch im Vortrag Verwendung finden wird. Dabei handelt es sich um Kafkas Fragment „Fürsprecher“. Der Text gibt trickreich und einfühlsam Einblick in die Erfahrung, in Konfrontation mit Gericht und Gesetz Fürsprecher zu suchen.